europaticker:![]() | Juristische Einschätzung soll erhebliche Anhaltspunkte für Missbrauch des Stiftungsrechts |
Dazu Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Es ist das neue Traumpaar der Erdgas-Lobby: Schwesigs Stiftung soll Putins Pipeline schützen. Mit dem Eingreifen der Landesregierung offenbart sich, dass es sich bei Nord Stream 2 nicht, wie so oft behauptet, um ein rein privatwirtschaftliches Projekt handelt. Tatsächlich wird der Pipeline-Bau erst möglich durch die massive Unterstützung der Politik. Die geplante Stiftung ist dabei nicht nur eine Tarnorganisation für ein klimazerstörerisches fossiles Projekt, sondern auch noch handwerklich schlecht gemacht. Aus den bisher bekannt gewordenen Unterlagen geht hervor, dass der Hauptzweck der Stiftung gar nicht Klimaschutz ist, sondern mit dem Weiterbau von Nord Stream 2 ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Wir fordern das für die Stiftungsaufsicht zuständige Justizministerium in Mecklenburg-Vorpommern deshalb auf, die Anerkennung der geplanten Stiftung zu überprüfen.“
Grundsätzlich können Stiftungen einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb führen, wenn dieser eine untergeordnete Rolle hat. Nicht zulässig ist es dagegen, wenn dieser wirtschaftliche Geschäftsbetrieb der Hauptzweck einer Stiftung wird. Insbesondere, wenn – wie bei der Stiftung Klima- und Umweltschutz MV geplant – lediglich ein einziges Unternehmen von dem Geschäftsbetrieb profitiert.
Auch die Zulässigkeit der geplanten Stiftung nach EU-Beihilferecht ist zweifelhaft. Zwar erhält die Stiftung „nur“ einen direkten staatlichen Zuschuss vom Land Mecklenburg-Vorpommern in Höhe von 200.000 Euro. Der Vorteil, den sie der Nord Stream 2 AG durch die Hilfe bei der Fertigstellung der Erdgas-Pipeline verschaffen würde, wäre aber weit mehr wert, würde in die Millionen oder gar Milliarden Euro gehen. Die DUH hat in einem Brief an die EU-Kommission bereits ihre rechtliche Einschätzung übermittelt und die Behörde zur Überprüfung der Vorgänge aufgefordert.
Cornelia Ziehm, Rechtsanwältin und kurzzeitige Staatsrätin in Bremen nach ihrem Weggang von der DUH: „Die geplante Stiftungsgründung bedeutet, dass sich das Land Mecklenburg-Vorpommern mit öffentlichen Landesmitteln schützend vor die Nord Stream 2 AG stellt und damit ein bestimmtes einzelnes Privatunternehmen begünstigt. Ohne die Stiftung wäre der Nord Stream 2 AG die Fertigstellung ihrer Pipeline gegenwärtig nicht möglich. Dafür aber ist das Stiftungsrecht offensichtlich nicht vorgesehen – zumal die nun angegebenen Umwelt- und Naturschutzzwecke tatsächlich in weitem Umfang bereits Aufgabe einer schon existierenden Stiftung des Landes sind. Zudem kann ein Eingriff in den Wettbewerb keineswegs von vorneherein ausgeschlossen werden – mit der Folge der Notwendigkeit eines beihilferechtlichen Notifizierungsverfahrens bei der EU-Kommission.“
Ebenfalls zweifelhaft erscheint es, ob die geplante Gründung der Stiftung die beteiligten Unternehmen überhaupt vor US-Sanktionen schützen kann. Tatsächlich wurde die Rechtsgrundlage der US-amerikanischen Sanktionen durch den Protecting Europes Energy Security Act (PEESCA) so erweitert, dass Sanktionen künftig auch gegen Regierungen beziehungsweise öffentliche Institutionen verhängt werden können, wenn diese einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb („business enterprise“) aufnehmen.
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH: „Es ist eine Frechheit, dass Ministerpräsidentin Schwesig Klimaschutz vorschiebt, um den Weiterbau eines fossilen Projektes zu rechtfertigen. Tatsächlich steht Nord Stream 2 für jährlich 100 Millionen Tonnen CO2, sollte es jemals fertiggestellt werden. Mit der Gründung der Stiftung könnte Frau Schwesig aber auch den beteiligten Unternehmen und dem Land Mecklenburg-Vorpommern einen Bärendienst erweisen. Sie bringt das Land und die Unternehmen gerade erst in die Schusslinie der angedrohten Sanktionen. Anstatt Greenwashing zu betreiben und das Stiftungsrecht zu missbrauchen, sollte das Land Mecklenburg-Vorpommern einen Schlussstrich unter dieses fossile Großprojekt ziehen und in Erneuerbare Energien und regionale Wertschöpfung investieren.“
Zur rechtlichen Prüfung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) der von Mecklenburg-Vorpommern geplanten Finanzierung von Nord Stream 2 über eine Stiftung erklärt Julia Verlinden, Sprecherin für Energiepolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: „Zu den rechtlichen Bedenken der DUH gegen die Finanzierung von Nord Stream 2 über eine landeseigene Stiftung kommen die klimapolitischen Risiken. Wer im Jahr 2021 noch öffentlich geförderte Finanzierungsmodelle bemüht, um Infrastruktur für fossile Energie zu bauen, untergräbt bewusst die internationalen Verpflichtungen zum Klimaschutz. Diese Pipeline amortisiert sich für die Investoren nur, wenn dadurch noch Jahrzehnte lang Gas transportiert wird. Doch Deutschland muss viel früher auf eine komplett klimaneutrale Wirtschaft umstellen. Öffentliche Gelder und Investitionshilfen dürfen daher nur noch in Strukturen und Technologien fließen, die dem Klimaschutz dienen. Die Erdgaspipeline Nord Stream 2 gehört mit Sicherheit nicht dazu.“
Zu den heutigen Protesten gegen den Pipelinebau NS2 und die Landesstiftung in MV sagt der Energie- und Klimapolitiker der Linken im Bundestag, Lorenz Gösta Beutin aus Kiel: "Die Proteste von FFF und Enge Gelände sind richtig und zu begrüßen. Die jungen Klimaaktivist*innen legen den Finger in einen völlig blinden Punkt der Energiewende: Nach dem Kohleausstieg braucht Deutschland zur Einhaltung des Parisabkommens einen politischen Fahrplan für den Ausstieg aus der klimaschädlichen Energiegewinnung mit Erdgas.
Die Zeit für die Gaswende läuft uns davon. Nur für eine kurze Übergangsphase beim Kohleausstieg bis in die zweite Hälfte der 2020er braucht es Erdgas als Brückentechnologie für einige wenige flexible Erdgaskraftwerke. Dieser Fahrplan für eine sozial verträgliche Gaswende fehlt bisher. Die Linksfraktion im Bundestag fordert darum die Einsetzung einer unabhängigen Expertenkommission für den schrittweisen Ausstieg aus der Erdgas-Energiegewinnung und die anschließende Ausarbeitung eines Erdgasenergie-Ausstiegsgesetzes."
Links: Rechtliche Prüfung der „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV": http://l.duh.de/p210112
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Mecklenburg-Vorpommern: Stiftung für Klima- und Umweltschutz soll Pipeline-Fertigbau sicherstellen